Brunnenstein 2006

Ausbildungstour Brunnensteinhöhle, 6.5.2006

Das Jubiläumsfest zum 20 jährigen Bestehen der Höhlenrettung Baden-Württemberg in Hengen auf der Uracher Alb war der gebotene Anlass, den süddeutschen Weißjuratrauf mal wieder aufzusuchen und in Vorahnung beängstigender Mengen an Spezialitäten der schwäbischen Küche im Vorfeld durch eine Befahrung der Brunnensteinhöhle den Kalorienspiegel gebührend zu senken. So fuhren Jörn, Eckart und ich denn auch unter herrlichem Maisonnenschein die erhabene Schichtstufe bei Oberhausen an, um uns auf eine wohl meinetwegen so betitelte Ausbildungstour zu begeben. Als der Auszubildende mit eilig zusammengeborgter Ausrüstung konnte ich mich auf der Anfahrt einer gewissen angespannten Erwartung nicht erwehren, schließlich sollte es für mich zum ersten mal so richtig mit Neopren unter Tage gehen, um mit den echten Profis das Programm „nass-eng-dreckig, aber horizontal“ zu absolvieren.

Nachdem am Fuße des Gießsteins Michael zu uns gestoßen war und unser Befahrungsquartett vervollständigt hatte, begann die erste Herausforderung: nämlich ausrüstungsbewehrt in voller Neopren- und Schlazmontur die anderthalb Kilometer bergan über die in der Sonne gleißende Schlösslesteige zum Höhleneingang aufzusteigen – finnische Sauna nix dagegen. Ein feuchtkühler Hauch aus dem Mundloch der Höhle senkte unsere Körpertemperatur bald wieder auf die eines durchschnittlichen Fieberkranken und wir stiegen zügig ein. Schon nach den ersten Metern auf allen Vieren durch den trockenen Höhlengang wurde mir klar, dass mir mein steifer 7mm-Neoprenanzug wohl die größten Schwierigkeiten bereiten würde, da er die Beweglichkeit von Arm und Bein ungewohnt hemmt. So stürzte ich mich denn auch gierig auf die ersten Spuren des nach einigen zehner Metern auftauchenden Höhlenbaches um das steife, angeschwitzte Gummi weichzukneten. Nach kurzer Wegstrecke hatte der Bach an Tiefe gewonnen und wir konnten uns bequem und wohltemperiert auf dem Rücken liegend durch die Höhle flößen. Hier lernte ich, dass die 7-10 cm Abstand zwischen Höhlendecke und Wasserspiegel zwar nicht gotischen Hallenkirchen gleichen, aber ausreichen, um bei einer Nasenlänge von etwa 3,5 cm im Vorbeidümpeln entspannt die Sinterformen der Höhlendecke zu betrachten. Die Wassermenge schon im vorderen Teil der Höhle nötigte Michael zu dem Hinweis, dass wohl eine komplette Befahrung der Höhle nicht möglich sei, da längere Höhlenteile unter Wasser stünden. Diese Prognose im Ohr fanden wir uns auch bald in einem engen Höhlenraum ein, aus dem ein Ausweg, abgesehen von einem für Schlangenmenschen befahrbaren Bullauge unter der Höhlendecke, nur durch ein unerbittlich unter dem Wasserspiegel liegendes Sintertor möglich war. Nun gut, ein echter Siphon. Als ich den Siphon erreichte, drang Eckarts Stimme schon dumpf von der anderen Seite der Felspartie zu mir herüber, als aufmunternder Hinweis darauf, dass der Siphon durchaus ohne Gefahr für Leib und Leben zu passieren sei. Unter fachkundiger Anleitung von Jörn schob ich meinen Körper mit Füßen voran bis zum Hals in den Siphon, um so schon mal 90 Prozent von mir auf die sichere Seite zu bringen. Dann zog ich mit zugehaltener Nase, gleich Herrn Dr. Klöbner, der in Müller-Lüdenscheids Badewanne bekanntlich länger kann, den Kopf langsam nach und tauchte nach 30 cm unter Wasser wieder auf.

Höhlentaufe überlebt.

Nach weiterer kurzer Wegstrecke durch den Höhlenbach wurde Michaels Befürchtung wahr: Der Wasserstand hatte aus dem Gang einen langgezogenen Siphon gemacht, der ohne Ausrüstung nicht zu durchtauchen war. Eckarts Nasenlängentest an der Höhlendecke verlief negativ und wir beschlossen die Umkehr. Wir erreichten nach ca. 2 Stunden im Bergesinneren das Tageslicht wieder, einerseits etwas enttäuscht, dass uns der Berg nicht zu seinem angeblich beeindruckenden Tropfsteinschmuck vordringen ließ, andererseits froh, mal wieder aufrecht stehen zu können. Nach der rituellen Reinigung unserer Ausrüstung in der Echazquelle (Jörn besitzt spezielle Neopren-Reinigungs-Handschuhe), steuerten wir nach kurzem Besuch der Dettinger Hölllöcher das Gasthaus Lamm in Hengen an. Dort wurden alle kulinarischen Vermutungen um Lichtjahre übertroffen und wir ließen bei Frischgezapftem um noch frischeren Bildern aus den neuentdeckten Teilen der Vetterhöhle den Abend im Kreise der Höhlenretterinnen und -retter ausklingen. Am nächsten Tag wusste dann noch mein Nacken davon zu berichten, was es heißt, den Kopf einige Stunden vor statt über den Schultern getragen zu haben. Da hilft nur Training, das ganze also hoffentlich bald wieder…

Samuel.

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